11.05.2022 - 6.4 Stellungnahme der Gemeindevertretung zur gestel...

Beschluss:
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Wortprotokoll

 

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Beschluss:

 Die Gemeindevertretung Weitendorf beschließt folgende Stellungnahme zur gestellten Frage des Bürgerbegehrens vom 2. Januar 2022:

 

Der Initiativantrag von Einwohnern des Ortes Jülchendorf zur Einrichtung eines Wanderweges Jülchendorf-Wendorf gemäß des von den Initiatoren bevorzugten Verlaufs wurde von der Gemeindevertretung Weitendorf in der Sitzung am 24.11.2021 mit folgender Begründung mehrheitlich abgelehnt.

 

1. Das Bedürfnis nach diesem Wanderweg konnte nicht schlüssig nachgewiesen werden.

2. Naturschutzrechtliche Gründe sprechen gegen eine Umsetzung des Vorhabens.

3. Naturschutzfachliche Gründe sprechen gegen eine Umsetzung des Vorhabens

4. Die eingesetzten Ressourcen (Haushaltsmittel = Steuergeld; Personalaufwand beteiligter

Verwaltungen = Steuergeld) stehen in keinem Verhältnis zum etwaigen Mehrwert. Der zu erwartende massive Ressourcenverbrauch für ein einzelnes Projekt in einem einzelnen Ort              (Jülchendorf) der Gemeinde Weitendorf steht in keinem Verhältnis zum Interesse der Gesamtgemeinde. Andere Orte der Gemeinde werden benachteiligt. Die Steuermittel werden dringend für andere Aufgaben/Projekte benötigt, von der die gesamte Gemeinde etwas hat.

5. Keine Bereitschaft der Initiatoren, eine nur leicht abweichende Streckenführung mit wesentlich geringerem Umsetzungsaufwand zu akzeptieren.

6. Die berechtigten Interessen des die umliegenden Flächen bewirtschaftenden Landwirts hinsichtlich des Managements seines Tierbestandes sind zu berücksichtigen (zusammenhängender Weidekomplex).

 

Diese Punkte sollen im Einzelnen erläutert werden:

 

Zu 1.

Die Ortschaft Jülchendorf liegt eingebettet in einer schönen Natur? und Kulturlandschaft mit vielfältigen Radfahr- und Wandermöglichkeiten für ein aktives Naturerlebnis und die Erholung. Die Erschließung mit Wanderwegen in alle Himmelsrichtungen ist als gut zu bewerten. Neben attraktivem Offenland mit Naturschutzstatus stehen ausgedehnte und abwechslungsreiche Wälder (u. a. DBU Naturerbefläche Kaarzer Holz) für eine naturbasierte Freizeitgestaltung zur Verfügung. Diese Möglichkeiten werden von der Ortschaft Jülchendorf aus weit überwiegend durch einheimische Bewohnerinnen und Bewohner genutzt. Die touristische Nutzung ist von eher untergeordneter Bedeutung. Die touristischen Hauptorte in der Gemeinde Weitendorf sind die Ortschaften Kaarz (Schlosshotel) und Weitendorf (Kanucamp). Hierauf konzentrieren sich die tourismuspolitischen Entwicklungsmaßnahmen der Gemeinde. Eine zusätzliche touristische Erschließung in Jülchendorf ist daher nicht notwendig. Von Jülchendorf aus sind alle umliegenden Orte auf verschiedenen und bereits vorhandenen Wegen erreichbar. Auch die benachbarte Ortschaft Wendorf, z. B. über das Ferienlager und weiter über den Sydowsee (Nordroute) oder über den neu eingerichteten "Waldbadeweg" mit drei Achtsamkeitsstationen durch die Jülchendorfer Buchen (Südroute). Beide Routen können zusammen auch als Rundweg genutzt werden. Auch beliebte umliegende Badestellen (Schönlager See, Sydow See) sind von Jülchendorf auf den vorhandenen Wegen sehr gut erreichbar. Beide Wegrouten bieten übrigens guten Einblick in das Naturschutzgebiet "Trockenhänge bei Jülchendorf und Schönlager See" (NSG 322). Von einem Ausschluss von einem Naturerleben der betreffenden Flächen durch naturinteressierte Menschen kann also keine Rede sein. Eine Bezugnahme auf die § 3 und 4 der Landesverordnung zur Einrichtung des "Naturparks Sternberger Seenlandschaft ", in welcher Bezug auf die Ziele und Maßnahmen genommen wird, ist insofern unerheblich, als dass diese in einem langen Bürger? und Behördenbeteiligungsprozess schließlich in einem im November 2010 in Kraft getretenen Naturparkplan näher konkretisiert worden sind. Darin sind 50 Projekte konkret benannt worden, die im Geltungszeitraum des Naturparkplans umgesetzt werden sollen. Dabei werden diese 50 Projekte 6 Handlungsfeldern zugeordnet:

· Natur? und Artenschutz

· Landnutzung und Kulturlandschaft

· Tourismus und Erholung

· Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung

· Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

· Siedlungsentwicklung und Kultur

 

Im Bereich des Handlungsfeldes "Tourismus und Erholung" ist nur ein relevantes Projekt benannt: 

· Projekt 20: Naturpark-Routen

 

In der Kurzbeschreibung lautet das Motto "weniger ist mehr ". Ein "Wildwuchs" von Wanderwegen ist also ausdrücklich nicht erwünscht. Der beantragte Wanderweg Jülchendorf-Wendorf erfüllt außerdem die Kriterien des Projektsteckbriefs hinsichtlich der definierten Qualitätsstandards und der Entwicklungsziele von Naturpark-Routen nicht! Eine gemäß der definierten Standards zu errichtende Beschilderung würde zu zusätzlichen Kostenbelastungen für die Gemeindekasse führen.

 

Zu 2.

Auf Nachfrage zur naturschutzrechtlichen Bewertung eines Wanderweges hat die zuständige Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Ludwigslust-Parchim am 24.09.2020 schriftlich mitgeteilt, dass 

 

"…die Freischneidung des Biotops (Anmerkung Gemeindevertretung: ein mit vielfältigen und

schutzwürdigen Heckenstrukturen bewachsener Hohlweg) am Rande des Naturschutzgebietes nicht

genehmigt wird…".

 

Neben dem Schutzstatus als Naturschutzgebiet ist ein Großteil der betreffenden Flächenkulisse auch Bestandteil des FFH-Gebiets DE 2336301 "Schönlager See, Jülchendorfer Holz und Wendorfer Buchen". Es handelt sich dabei um ein Schutzgebiet von europäischer Bedeutung im Naturschutzgebietssystem "Natura 2000", bei dem bestimmte Schutzgüter (Tierarten, Pflanzenarten, Lebensraumtypen) einen besonderen Schutz genießen. Für Eingriffe in diese Schutzgebiete gelten besonders strenge Verfahren. Zuständig für diesen Schutzgebietstyp sind in Mecklenburg? Vorpommern die Staatlichen Ämter für Umwelt und Landwirtschaft (StALU). Es ist davon auszugehen, dass auch diese eine Genehmigung versagen werden. Ein Genehmigungsverfahren macht zunächst eine sogenannte Erheblichkeitseinschätzung, bei der die Beeinträchtigung des Eingriffs auf die Schutzgüter bewertet wird, erforderlich. Bei Genehmigungen, bei denen im Abwägungsprozess das gesamtgesellschaftliche Interesse überwiegen muss, ist der Eingriff, also die naturschutzfachliche Beeinträchtigung der Schutzgüter, stets angemessen zu kompensieren. Planung, Durchführung und dauerhafter Erhalt der naturschutzbehördlich festgesetzten Kompensationsmaßnahme sind für den Maßnahmenträger (hier: Gemeinde Weitendorf) aufwändig und teuer.

 

Zu 3.

Auch ohne den vorhandenen naturschutzrechtlichen Schutzstatus wäre das Biotop des mit vielfältigen und schutzwürdigen Heckenstrukturen bewachsenen Hohlweges schützenswert. In Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern, im Landkreis Ludwigslust-Parchim und letztendlich auch in der Gemeinde Weitendorf ist der Erhalt der Biologischen Vielfalt bereits seit Jahrzehnten durch eine intensive Land? und Raumnutzung stark gefährdet. Der Rückgang von Arten ist teilweise dramatisch. Das betrifft im besonderen Maße die Insekten? und die Vogelwelt. Für letztere Artengruppen haben sogenannte "halboffene Weidelandschaften ", wie sie rund um Jülchendorf vorzufinden sind, eine besonders große Bedeutung. Gesetzlicher Schutz alleine reicht nicht aus, um dem Artenschwund Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus ist auch Vernunft gefragt, nicht jedes vielleicht wünschenswerte Vorhaben auf Kosten von Natur und Umwelt umzusetzen. Das sind wir nachfolgenden Generationen schuldig.

 

Zu 4.

In den vergangenen 15 Jahren hat kein politisches Vorhaben schon bis zum jetzigen Zeitpunkt (politische Willensbildung) mehr Zeit und Ressourcen verbraucht, als die Initiative zur Einrichtung eines Wanderweges Jülchendorf-Wendorf. Weder die Prozesse um den Wasserwanderrastplatz Weitendorf noch um den hochkomplizierten Austritt der Gemeinde Weitendorf aus der STEWO wurden so intensiv behandelt.

 

Folgende Beratungstermine haben dazu in den vergangenen 2 Jahren stattgefunden:

· 26.02.2020:  Gemeinderatssitzung (TOP 7: Bericht Gemeindevertreter)

· 21.05.2020: Bauausschusssitzung

· 27.05.2020: Ortstermin mit Geländebegehung (Bauausschuss)

· 03.06.2020:  Gemeinderatssitzung (TOP 5.2: Bericht Gemeindevertreter)

· 09.09.2020:  Gemeinderatssitzung (TOP 6: Bericht Bürgermeisterin; TOP 6.2: Bericht der 

Ausschussvorsitzenden; TOP 7: Einwohnerfragestunde)

· 15.10.2020:  Bauausschusssitzung

· 24.03.2021:  Gemeinderatssitzung (TOP 10: Sonstiges)

· 28.04.2021:  Gemeindevertretersitzung (TOP 8: Grundstücksangelegenheiten)

· 17.06.2021:  Gemeindevertretersitzung (TOP 5: Bericht Bürgermeisterin)

· 11.08.2021:  Ortstermin mit Geländebegehung (Bauausschuss, Amt, Landwirt)

· 01.09.2021:  Bauausschusssitzung

· 13.10.2021:  Gemeinderatssitzung (TOP 5; Bericht Bürgermeisterin; TOP 7: Bericht

Ausschussvorsitzende)

· 03.11.2021:  Bauausschusssitzung (Erarbeitung von Beschlussvorlagen)

· 24.11.2021:  Gemeinderatssitzung (Diskussion, Abwägung, Beschluss)

· 18.01.2022:  Ortstermin mit Geländebegehung (Bürgermeisterin, Leitenden Verwaltungsbeamten,

Hauptamtsleiter, Bauamtsleiter)

· 23.02.2022:  Gemeinderatssitzung (TOP 5; Bericht Bürgermeisterin)

· 11.05.2022:  Gemeinderatssitzung (Beschlüsse über das Bürgerbegehren)

 

Die Gemeindevertretung Weitendorf geht mehrheitlich davon aus, dass bei einer Umsetzung des Vorhabens personelle und finanzielle Ressourcen (= Steuergelder) in erheblicher, unverhältnismäßiger und daher in der Gesamtabschätzung unverantwortlicher Höhe verbraucht werden. Das betrifft sowohl die Ressourcen der Gemeinde Weitendorf als auch anderer Behörden. Bei allen Ressourcen, auch wenn diese gegebenenfalls aus Fördermitteln bestehen, handelt es sich um Steuergelder. Aufwand und Ergebnis stehen in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis. Die Gemeindevertretung schätzt ein, dass für die Umsetzung des Vorhabens direkte Finanzmittel der Gemeinde in Höhe von 10.000,?€ gebraucht würden (überwiegend Vermessungskosten zur Grenzfeststellung). Bei der Einrichtung des Wanderweges würde es sich um eine sogenannte freiwillige Leistung der Gemeinde handeln. Die Gemeinde ist wegen ihrer eingeschränkten Finanzkraft nicht dazu in der Lage, ihre kommunalen Pflichtaufgaben ordnungsgemäß zu übernehmen. Dazu gehört insbesondere der Unterhalt des öffentlichen Straßen? und Wegenetzes, das sich in einem allgemein schlechten Zustand befindet. Aus diesem Grund unterliegt die Gemeinde Weitendorf bereits seit vielen Jahren der Haushaltssicherung mit einer besonderen Ausgabendisziplin. Den Luxus eines zusätzlichen Wanderweges, der mutmaßlich nur von einem sehr geringen Bruchteil der Bevölkerung der Gemeinde Weitendorf genutzt wird, kann sich die Gemeinde Weitendorf nicht leisten.

 

Beim Flurstück 30, das durch die Initiatoren für die Wegführung vorgesehen ist, handelt es sich gemäß eingetragener Nutzung nicht um ein reines Wegegrundstück. Von den 5.863m² sind folgende Nutzungsarten eingetragen: 3.136m² Gehölz, 1.771m² Grünland, 965m² Weg. Eine zukünftig durchgehende Nutzung als Weg hätte ein bürokratisches Umnutzungsverfahren zur Folge. Geklärt werden müsste zudem auch noch, ob und ggf. unter welchen Bedingungen die Mitbenutzung eines privaten sich an der Grenze zur Gemeinde Wendorf befindlichen Grundstücks möglich ist, um eine lückenlose Wegführung zu gewährleisten. Die Gemeinde müsste außerdem die allgemeine Pflicht zur dauerhaften Gewährleistung der Verkehrssicherheit des Weges übernehmen (BGB § 823), die grundsätzlich sehr risikobehaftet ist. Die Risiken der allgemeinen Pflicht zur dauerhaften Gewährleistung der Verkehrssicherheit würde nicht nur die Gemeinde betreffen, sondern sich in den Waldbereichen auch für die benachbarten privaten Waldeigentümer erhöhen.

 

 

Zu 5.

Im Verlaufe des langen Beratungs- und Abstimmungsprozesses (s. o.) wurde als Kompromisslösung auch eine alternative Wegführung erarbeitet, die mit deutlich weniger Aufwand (Teilvermessung hat bereits stattgefunden) und ohne naturschutzfachliche und -rechtliche Hinderungsgründe hätte umgesetzt werden können. Die Initiatoren des Wanderweges waren in keiner Phase des demokratischen Beratungsprozesses bereit, sich auf einen Kompromissvorschlag einzulassen. Im Übrigen wurde im Beratungsprozess auch ein Flächentausch oder Ankauf in Erwägung gezogen, um den naturschutzrechtlich? und fachlich sensiblen Hohlwegbereich durch eine parallele Wegführung auszuklammern. Die in Frage kommenden Grundstückseigentümer waren dazu allerdings nicht bereit, so dass diese Alternative ebenfalls nicht zum Tragen kommen konnte.

 

Zu 6.

Die Weideflächen beidseitig des durch die Initiatoren gewünschten Wanderweges bilden schon seit vielen Jahrzehnten (auch schon zu DDR Zeiten) einen sogenannten zusammenhängenden Weidekomplex. Die zusammenhängende Flächennutzung durch Weidetiere ohne beidseitige Auszäunung des Wanderweges erleichtert die Weidetierhaltung und damit die Bewirtschaftung für den nutzenden Landwirtschaftsbetrieb ganz erheblich. Die Weidetierhaltung ist für den naturschutzfachlich erforderlichen Erhalt der halboffenen Weidelandschaft besonders erwünscht. Betreiber ist ein kleinbäuerlicher Betrieb mit wichtiger Funktion für die Landschaftspflege. Der Erhalt solcher kleinbäuerlichen Betriebe mit tierwohlgerechter Weidetierhaltung als Gegensatz zur verbreiteten stallgebundenen Massentierhaltung großer industriell geprägter Agrarbetriebe ist gesellschaftspolitisch aktuell stark gefordert und wird auch im Naturparkplan des "Naturparks Sternberger Seenland" vom November 2010 ausdrücklich gewünscht. Beeinträchtigungen der Wirtschaftsweise solcher kleinbäuerlichen Betriebe durch vermeidbare Zerschneidungen von Weidekomplexen sind deshalb möglichst zu unterlassen.

 

Weitergehende Folgeabschätzung bei einem erfolgreichen Bürgerbegehren:

Sollte der Bürgerentscheid im Sinne der Initiatoren erfolgreich sein und die Frage "Soll der Gemeinderatsbeschluss vom 24.11.2021 gegen die Errichtung eines Wanderweges aufgehoben und stattdessen der Errichtung eines Wanderweges von der Kreuzung K106/Bergstraße entlang der Bergstraße, durch den Hohlweg und weiter entlang des ehemaligen Weges bis zur Gemeindegrenze zugestimmt werden?" mehrheitlich mit "Ja" beantwortet werden, hätte das womöglich weitreichende finanzielle Risiken für die Gemeinde zur Folge: Bei ablehnenden Bescheiden der Naturschutzbehörden -von denen die Gemeindevertretung mehrheitlich ausgeht (siehe oben Punkt 2.) ? müsste die Gemeinde den durch Bürgerentscheid festgestellten Bürgerwillen auf dem Rechtsweg durchsetzen. Rechtsmittel bedeuten weiteren bürokratischen und finanziellen Aufwand (=Steuergeld). 

 

Die Gemeindevertretung empfiehlt nach gründlicher Abwägung aller Interessen aus ihrer Verantwortung für die gesamte Gemeinde Weitendorf deshalb mehrheitlich, beim Bürgerbegehren mit "Nein" zu stimmen!

 

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Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

Nein-Stimmen

Enthaltungen

5

2

0

 

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Sachverhalt